Es rumort gewaltig beim Thema "Equal Pay" auf dem weltweiten Arbeitsmarkt. Im Juni musste der Technologiekonzern Google aufgrund einer Sammelklage bezüglich geschlechterspezifischer Diskriminierung umgerechnet 112,6 Millionen Euro zahlen. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft der Frauen entschieden dafür aus, dass "Equal Pay" auch für Nationalmannschaften gelten solle. Und immer mehr Unternehmen in Deutschland erkennen in transparenten Lohnstrukturen nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern einen Wettbewerbsvorteil im Kampf um die Fachkräfte. Erfahren Sie in diesem Artikel und auf der ddn-Veranstaltung am 5. Oktober, warum sich Unternehmen jetzt gut aufstellen sollten.
Transparente Lohnstrukturen machen Gerechtigkeit im Unternehmen sichtbar und steigern so die Zufriedenheit, Motivation und Bindung der Beschäftigten. Darüber hinaus sehen viele Unternehmen in der Entgelttransparenz ein wirksames Instrument zur Gewinnung von Fachkräften. Denn der bereinigte "Gender Pay Gap" liegt immer noch bei 7 Prozent und steht für die ungerechte Bezahlung von Männern und Frauen bei gleichen Tätigkeiten. Unternehmen, die sich von dieser Praxis distanzieren und das durch transparente Lohnstrukturen belegen, profilieren sich als moderner, fairer und attraktiver Arbeitgeber und gewinnen neue Bewerbergruppen für sich.
Die oose Innovative Informatik eG leitete 2014 eine weitreichende Umwandlung seiner Geschäftsform ein – von einer klassischen GmbH zu einer selbstorganisierten Genossenschaft. Über viele kleine Zwischenschritte wurde dann im Juli 2022 ein Gehaltsmodell entwickelt und umgesetzt, das für Mitarbeitende transparent nachvollziehbar ist. "New Work ist bei uns keine Floskel, wir gehören zu den Pionieren dieser Arbeitsweise", bewerben sie ihr Modell auf der Website und wecken damit das Interesse nicht nur jüngerer Fachkräfte.
Heidrun Kubik von oose Innovative Informatik eG sagt: "Bei uns herrscht Transparenz über die Schritte der Lohnerhöhungen, denn sie richten sich nach klaren Kriterien. Der Vorteil für Unternehmen ist meiner Ansicht nach, dass Ungerechtigkeiten in der Lohnsteigerung nicht anfallen und von den Mitarbeitenden auch nicht befürchtet werden müssen."
Da bei der oose eG keine klassischen Hierarchien bestehen, haben die Mitarbeitenden das neue Gehaltsmodell gemeinsam beschlossen. "Es gab eine Arbeitsgruppe, die mit Hilfe verschiedener widerstandsintegrierender Verfahren das Plenum mit einbezogen hat", berichtet Heidrun Kubik. "Zunächst haben wir Rollen im Unternehmen definiert und die Personen entsprechend zugeordnet. Dann mussten wir bestehende Gehaltsdifferenzen in unseren unterschiedlichen Rollen ausgleichen, um zu klar definierten Basisgehältern pro Rollen zu gelangen", so Heidrun Kubik. Hinzu kam eine Anpassung entsprechend der Berufserfahrung, der Betriebszugehörigkeit und ein Jahresurlaub gemäß dem Alter.
Die Umstellung zur neuen Struktur brachte auch Herausforderungen mit sich. Am Ende zahlte sie sich jedoch aus. "Und mit dieser transparenten Gehaltsstruktur haben wir es auch leichter bei Verhandlungen von Neueinstellungen. Es gibt kein Gehaltspoker mehr", berichtet sie.
Was die oose Innovative Informatik eG für sich entdeckt hat, befördert das Entgelttransparenzgesetz bereits seit 2017. "Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass Frauen und Männer in unserer Gesellschaft und in unserer Arbeitswelt gleichgestellt sind", erklärte die damalige Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig, als das Entgelttransparenzgesetz in Kraft trat.
Mitarbeitende in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten haben ein individuelles Auskunftsrecht, um ihre eigene Entlohnung mit der von Kollegen/-innen mit gleicher Tätigkeit vergleichen zu können. Der Auskunftsanspruch bezieht sich nicht auf das konkrete Entgelt einzelner Mitarbeitender, sondern auf ein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt. Unternehmen ab 500 Beschäftigten müssen zudem regelmäßig über ihre Maßnahmen zur Gleichstellung und zur Entgeltgleichheit berichten. Weitere Bewegung in das Thema "Equal Pay" bringt der Richtlinienvorschlag, den die Europäische Kommission 2021 zur Entgelttransparenz vorgelegt hat.
An der Umsetzung des geltenden Gesetzes gibt es allerdings auch Kritik. So hätten nur 20 Prozent der verpflichteten Unternehmen tatsächlich einen umfänglichen Bericht zur Gleichstellung und Entgelttransparenz erstellt. Vielen Unternehmen sind die Anforderungen des Gesetzes nicht ausreichend bekannt. Zudem wird erwartet, dass auch Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten mehr Einsatz für "Equal Pay" zeigen. Auch viele Beschäftigte kennen ihre Rechte in Bezug auf die Entgelttransparenz nicht ausreichend. Zudem bleiben sie bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf sich allein gestellt.
Um die vielen Möglichkeiten transparenter Lohnstrukturen aufzuzeigen sowie die Notwendigkeit und Vorteile der Gleichbehandlung in Unternehmen zu verdeutlichen, lädt ddn Hamburg im Auftrag der Hamburger Sozialbehörde zur digitalen Veranstaltung "Wie Arbeitgeber sowie Beschäftigte von Chancengleichheit und Lohntransparenz profitieren" ein. Am Mittwoch, dem 5. Oktober 2022, geben Petra Lotzkat, Staatsrätin der Hamburger Sozialbehörde, Tanja Chawla, Vorsitzende des DGB Hamburg, sowie Dr. Christina Maria Huber, Vorstandsmitglied im Landesfrauenrat Hamburg und Mitglied im Aktionsbündnis "Equal Pay für Hamburg", einen Impuls zum Thema. Anschließend können sich die Teilnehmenden mit Best-Practice-Unternehmen und Vertretungen von Unterstützungsangeboten zu diesen und weiteren Fragen austauschen: Welche Modelle der transparenten Entgeltstrukturen gibt es? Welche Erfahrungen haben Unternehmen damit gemacht? Welche Unterstützung können Unternehmen auf dem Weg zur Entgeltgleichheit erhalten?
Anmeldungen zu der kostenfreien Veranstaltung sind ab sofort über ddn Hamburg möglich.
Janna Bischoff
Tel.: 040 334241-461
Dr. Oliver Borszik
Tel.: 040 334241-336
Tara de Pinho
Tel.: 040 334241-420
Susanne Sabisch-Schellhas
Tel.: 040 334241-415
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Die Netzwerkstelle "Demographie Netzwerk Hamburg" wird im Rahmen des Projekts "Fachkräfte für Hamburg" von der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert und durch das Aktionsbündnis für Bildung und Beschäftigung Hamburg – Hamburger Fachkräftenetzwerk unterstützt.