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Achtsamkeit im Denken ist ein zentraler Schlüssel zum Glück

Portrait von Dr. Notebaert Portrait von Dr. Notebaert
Dr. Karolien Notebaert, Neurowissenschaftlerin, Gründerin der Science und Leadership Academy, Buchautorin und Keynote-Speakerin bei der Online-Tagung Change Maker 50plus.

Bei der diesjährigen Online-Konferenz Change Maker 50plus steht das Glück im Fokus des Vormittags-Panels. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Glück und Älterwerden? Inwiefern kann uns die Neurowissenschaft Antworten darauf geben, wie wir Glück steigern und erhalten können? Diese Fragen stellt sich Mit-Initiatorin und Beirätin der Konferenz Nicole Schmutte, Leiterin des Bereichs Gleichstellung und Diversity im NDR. Die Antworten bekommt sie von Dr. Karolien Notebaert, Neurowissenschaftlerin und Gründerin der Science und Leadership Academy in Frankfurt am Main, Buchautorin und national wie international gefragte Keynote-Speakerin.

Dr. Karolien Notebaert wird bei der Konferenz am 16. Oktober eine Keynote mit dem Titel "Was uns wirklich glücklich macht" halten und sich anschließend in der Podiumsdiskussion gemeinsam mit Hirncoach und Professorin Barbara Studer aus der Schweiz, Buchautor Frank Leyhausen und Bestsellerautorin Ildiko von Kürthy weiteren Fragen von Nicole Schmutte stellen. Nun ein kleiner Vorgeschmack auf die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse:

Liebe Karolien, Du beschäftigst Dich als Neurowissenschaftlerin mit dem Thema Glück. Wie bist Du dazu gekommen?

Dr. Karolien Notebaert: Ich komme aus einer großen Familie mit fünf Geschwistern und bin bei meiner Mutter aufgewachsen, einer sehr ruhigen, zurückgezogenen Frau. Als ich mit sechzehn das Elternhaus verließ, gab sie mir einen Rat fürs Leben mit: "Was auch immer du tust, werde die beste Version deiner selbst." Dieser Satz hat mich tief geprägt, denn er verbindet persönliches Wachstum direkt mit dem Gefühl von Glück. Etwa zehn Jahre später begann ich meine Forschung im Bereich der Neurowissenschaften und stellte mir diese Frage erneut – diesmal aus wissenschaftlicher Perspektive. Seitdem fasziniert mich, wie unser Gehirn Glück erlebt, welche Faktoren es fördern und wie wir aktiv Einfluss darauf nehmen können.

Dein neuestes Buch hat den Titel "Vom Glück der richtigen Gedanken". Inwiefern hat Glück mit unserer Gedankenwelt zu tun? Oder setzt das eine das andere voraus?

Dr. Karolien Notebaert: Unser Gehirn produziert ununterbrochen Gedanken – und diese Gedanken prägen unsere Lebensqualität stärker, als uns oft bewusst ist. Viele unserer Sorgen oder negativen Gefühle entstehen nicht durch das, was hier und jetzt geschieht, sondern durch Szenarien, die wir im Kopf entwerfen, oder Erinnerungen, die wir immer wieder abrufen. Damit formen wir unsere ganz eigene Version der Realität. Die Forschung zeigt deutlich: Unsere Gedankenwelt beeinflusst unser Glücksempfinden direkt. Besonders positiv wirkt es sich aus, wenn wir mit unseren Gedanken im Hier und Jetzt sind, statt in einer Vergangenheit zu verharren oder uns in einer noch ungeschehenen Zukunft zu verlieren. Achtsamkeit im Denken ist deshalb ein zentraler Schlüssel zum Glück.

Was können wir tun, um glücklich zu sein? Gibt es spezielle Programme, mit denen wir unser Gehirn dazu bringen, uns zu mehr Glück verhelfen zu können?

Dr. Karolien Notebaert: Aus meiner Forschung weiß ich, dass Selbstregulation ein entscheidender Schlüssel zum Glück ist. Sie beschreibt die Fähigkeit, unsere eigenen Gedanken und Gefühle so zu regulieren, dass wir unsere Ziele besser erreichen und unser Wohlbefinden steigern können. Ein wichtiger Bereich ist die kognitive Selbstregulation – also bewusst Einfluss auf unsere Gedankenmuster zu nehmen. Dafür müssen wir zuerst erkennen, welche Gedanken wir haben und ob diese unserer Lebensqualität dienen. Anschließend können wir nicht hilfreiche Gedanken umformulieren oder neu ausrichten, um uns im Hier und Jetzt besser zu fühlen – unabhängig davon, was gerade in unserer Umgebung passiert. Das gelingt uns vielleicht nicht von heute auf morgen aber mit Übung können wir sehr viel erreichen. Wer lernt, seine Gedankenwelt zu meistern, kann sein Glück aktiv mitgestalten.

Ein Stereotyp und zugleich Erfahrungswert ist, dass ältere Menschen gelassener sind, auf ihre Erfolge und bislang Erreichtes entspannt zurückblicken können und deshalb glücklicher durchs Leben gehen. Stimmt das so? Sind, zugespitzt formuliert, ältere Menschen glücklicher?

Dr. Karolien Notebaert: Es stimmt, dass viele Studien eine U-förmige Glückskurve zeigen: Glück und Lebenszufriedenheit sind in der Kindheit hoch, sinken im mittleren Lebensalter – besonders in den 40ern – und steigen später im Alter wieder an. So erreichen Menschen häufig in ihren 60ern ein hohes Zufriedenheitsniveau. Ältere Erwachsene profitieren außerdem oft von mehr Gelassenheit, gelebter Erfahrung und besserer Emotionsregulation, was ihr Glück stärkt. Allerdings ist nicht jede Altersgruppe automatisch glücklicher – langfristige Untersuchungen zeigen auch, dass individuelle Lebenswege und Lebensumstände den Glücksverlauf sehr unterschiedlich prägen.

Viele Beschäftigte legen heutzutage mehr Wert auf eine gute Work-Life-Balance. Was bedeutet das aus neurowissenschaftlicher Perspektive?

Dr. Karolien Notebaert: Aus neurowissenschaftlicher Sicht hängt der Wert von Work-Life-Balance stark davon ab, wie erfüllend die eigene Arbeit ist. Wer seinen Beruf liebt und darin Sinn findet, erlebt Arbeitsherausforderungen oft als weniger belastend. Wenn der Job jedoch mit hohem Stress verbunden ist und keine Balance geschaffen wird, kann das zu Dauerstress führen. Dauerstress wirkt sich negativ auf unser körperliches, emotionales und psychisches Wohlbefinden aus und erhöht langfristig das Risiko für Burnout. Indem wir bewusst auf Erholungsphasen und Ausgleich achten, geben wir Körper und Geist die Möglichkeit, Stress regelmäßig abzubauen. Das schützt nicht nur unsere Gesundheit, sondern steigert auch unser langfristiges Glücksempfinden.

Wir alle haben unbewusste Denkmuster, die sogenannten Unconscious Biases. Was passiert im Gehirn, wenn wir unbewusst Annahmen über uns unbekannte Menschen treffen? Zum Beispiel insbesondere, wenn wir von Menschen 50 und 60plus sprechen?

Dr. Karolien Notebaert: Unser Gehirn arbeitet ein Stück weit wie ein Statistikprogramm: Dinge, die wir häufig zusammen sehen, hören oder erleben, werden in unserem Gedächtnis stärker miteinander verknüpft. Wenn wir zum Beispiel oft gehört haben, dass ältere Menschen besonders erfahren sind – oder umgekehrt, dass sie sich schneller beschweren – dann verstärken sich im Gehirn diese Assoziationen zwischen der Personengruppe und der Eigenschaft.

Forschung zeigt auch, dass Menschen über 50 oder 60 Jahre häufig als weniger anpassungsfähig wahrgenommen werden – selbst wenn diese Annahme nicht immer der Realität entspricht. Solche Vorannahmen können unbewusst unser Bild von einer Person prägen, noch bevor wir sie wirklich kennenlernen. Das passiert unabhängig davon, ob die Eindrücke auf persönlichen Erfahrungen beruhen oder nur durch Erzählungen, Medien oder das soziale Umfeld vermittelt wurden. Solche unbewussten Denkmuster wirken schnell und oft ohne, dass wir uns ihrer bewusst sind. Deshalb ist es so wichtig, sie zu erkennen und bewusst zu hinterfragen, um Menschen unabhängig von Vorurteilen zu begegnen.

Was können wir alle tun, um unbewusste Vorannahmen im Arbeitsleben auszublenden oder zu überwinden?

Dr. Karolien Notebaert: Unbewusste Vorannahmen im Arbeitsleben können wir am besten überwinden, indem wir unsere eigenen Denkmuster bewusst machen und hinterfragen. Schon allein die bewusste Anerkennung bestehender Vorurteile ist entscheidend, um ihnen entgegenzuwirken.

Ein weiterer wirksamer Schritt ist, Entscheidungen bewusst etwas zu verlangsamen und Schnellurteile zu vermeiden. Außerdem hilft es enorm, die Perspektive anderer einzunehmen und dadurch Empathie zu fördern, sowie eigene, unbewusste Muster zu relativieren.

Wer regelmäßig seine Denkmuster reflektiert – etwa mit Fragen wie "Sind diese Gedanken wirklich realitätsgerecht?" –, fördert nicht nur bessere Entscheidungen, sondern auch langfristig persönliches Wohlbefinden und berufliches Glück. Letztlich geht es darum, einen offenen, neugierigen Blick auf Menschen und Situationen zu behalten – das bereichert nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch unser eigenes Leben.

Was werden die Teilnehmenden von Dir bei der Konferenz Change Maker 50plus erwarten können?

Dr. Karolien Notebaert: Dass letztlich Glück kein Zufall ist, sondern etwas, das wir aktiv mitgestalten können – durch die Art, wie wir denken, fühlen und handeln. Die Neurowissenschaft liefert uns dafür spannende und praktische Werkzeuge. Und es gibt natürlich noch viel mehr, auch überraschende Erkenntnisse, was unser Gehirn wirklich glücklich macht. Genau darüber werde ich in meinem Vortrag auf der Konferenz sprechen.

Vielen Dank, liebe Karolien, für das Interview wir freuen uns auf mehr von Dir bei der Online-Tagung Change Maker 50plus am 16 Oktober!

Portrait von Nicole Schmutte Portrait von Nicole Schmutte
Mit-Initiatorin und Beirätin der Online-Tagung Change Maker 50plus Nicole Schmutte, Leiterin des Bereichs Gleichstellung und Diversity im NDR.

Online-Tagung

Change Maker 50plus - nachhaltig verändern!

Donnerstag, 16. Oktober 2025
von 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr

Kontakt


Die Netzwerkstelle "Demographie Netzwerk Hamburg" wird im Rahmen des Projekts "Fachkräfte für Hamburg" von der Behörde für Wirtschaft, Arbeit und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert und durch das Aktionsbündnis für Bildung und Beschäftigung Hamburg – Hamburger Fachkräftenetzwerk unterstützt.

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