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Flexible Schichtarbeit am UKE: Erfolgsmodell "Arbeiten 5.0" inspiriert andere Branchen

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) hat gezielt nach Optimierungspotenzial in der Schichtarbeit gesucht und mit dem Pilotprojekt "Arbeiten 5.0" ein Modell für flexible Arbeitszeiten entwickelt und eingeführt. Es berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten und steigert die Attraktivität des Arbeitsplatzes.

Christine Navarro, Ilja Doronin und Carola Fitzner aus dem Projektteam berichten über ihre Erfahrungen mit der erfolgreichen Umsetzung flexibler Schichtplanung und Partizipation – und tauschen sich mit den Teilnehmenden über die Übertragbarkeit auf andere Einrichtungen aus.

Branchenübergreifendes Interesse an flexiblen Modellen

Heidrun Meder und Susanne Sabisch-Schellhas führten durch das Forum Employer Branding und New Work.
v. l. Heidrun Meder und Susanne Sabisch-Schellhas führten durch das Forum Employer Branding und New Work.

Heidrun Meder, Geschäftsführerin von HR CIRCLE for People und Moderatorin des Forums Employer Branding und New Work, leitete die Veranstaltung mit einer Umfrage ein: Aus welchen Branchen kommen die Teilnehmenden?

Die Ergebnisse zeigten eine große Vielfalt – gemeinsam war ihnen jedoch der Schichtdienst. Vertreten waren unter anderem Mitarbeitende aus Seniorenheimen, Krankenhäusern, Wohnhäusern für Kinder und Jugendliche, Pflegediensten sowie der Produktion von Klebeband, Körperpflegeprodukten und Zigaretten. Auch ein Mitarbeiter eines großen Senders nahm teil – seine Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Schnitt und Reportage arbeiten ebenfalls im Schichtsystem. Alle eint das Anliegen, den Schichtdienst für die Beschäftigten attraktiver zu gestalten.

Starke Argumente für flexible Schichtgestaltung

"Warum sollte man sich überhaupt mit flexiblen Schichtplänen beschäftigen?", fragte Christine Navarro zu Beginn der Veranstaltung. Ihre Antwort: "Mein Lieblingsgrund ist, dass die Mitarbeitenden am UKE dienstplanspezifisch nach ihrer Lebensphase arbeiten können."

Dienstzeiten, die sich an den Lebensrealitäten der Beschäftigten und den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren, tragen zur Harmonisierung von Beruf und Privatleben bei – und damit auch zur Gesundheitsförderung des Personals.

Bild von Christine Navarro Bild von Christine Navarro
Christine Navarro vom Projekt "Arbeiten 5.0" beim UKE
Foto von den Referierenden und dem Publikum.
Das Thema "flexible Schichtarbeit" interessierte Vertreter/-innen verschiedener Branchen.

Doch es gibt noch weitere gute Gründe, die starren Schichtstrukturen aufzubrechen: "Die Arbeitgeberattraktivität und Mitarbeiterbindung werden deutlich gestärkt – ein wichtiger Beitrag zur Fachkräftesicherung", so Navarro. Wenn Schichten an die zeitlichen Möglichkeiten der Beschäftigten angepasst werden, lasse sich auch Arbeitszeitreduktion vermeiden.
Außerdem ermögliche die Einführung unterschiedlich langer Schichten eine gezieltere Abdeckung von Arbeitsspitzen. Auch die interprofessionelle Zusammenarbeit konnte durch eine bessere Abstimmung der Schichten verbessert werden.

Partizipativ und bedarfsorientiert zur erfolgreichen Einführung

Der Weg zur Pilotierung und späteren Implementierung des Modells war lang: Dank einer Förderung durch die Techniker Krankenkasse im Rahmen des Pflegestärkungsgesetzes nahm das Projektteam 2017 seine Arbeit auf. "Als wir zur Einführung in den einzelnen Bereichen kamen, wollten wir keine Schablone überstülpen, sondern partizipativ und bedarfsorientiert vorgehen", betonte Ilja Doronin. Das Projektteam stellte die entwickelten Schichtmodelle vor und überließ den Personalverantwortlichen die Auswahl: "Nehmt euch das, was eure Mitarbeitenden wirklich brauchen." Wichtig für die Akzeptanz seien die Freiwilligkeit und begleitende Informationen über die Mitarbeiterzeitschrift und im Intranet.

Bild von Ilja Doronin Bild von Ilja Doronin
Ilja Doronin vom Projekt "Arbeiten 5.0" beim UKE
Foto von zwei Teilnehmenden am Tisch.

Die Bereichsleitungen fragten die Bedarfe ab und entschieden selbst, welche Modelle in ihren Teams umsetzbar waren. So wählten ältere Beschäftigte häufig kürzere und weniger belastende Schichten, während jüngere Mitarbeitende längere Dienste bevorzugten, um beispielsweise Studium und Arbeit besser vereinbaren zu können.

Ein Teilnehmer fragte: "Wie habt ihr sichergestellt, dass der Dienstplan auch bei Krankheit funktioniert?". Doronin erklärte, dass jede Abteilung ein eigenes Ausfallkonzept entwickeln musste. Die Rahmenbedingungen seien so unterschiedlich, dass zentrale Vorgaben nicht praktikabel gewesen wären.

Kurze Schichten als gezielte Entlastung

"Bei 90 bettenführenden Bereichen ergaben sich am Ende sehr viele mögliche Dienstzeiten", berichtete Doronin. Die Mitarbeitenden konnten aus diesem umfangreichen Angebot wählen.

Gerade in der Notaufnahme – besonders belastet in der Zeit nach Praxisschluss – erwies sich die Einführung einer kurzen Zusatzschicht von 20 bis 2 Uhr als vorteilhaft. Diese Maßnahme wurde von allen Beteiligten begrüßt: Sie verteilte die Arbeitslast zur Stoßzeit auf mehr Schultern.

Ältere Mitarbeitende entschieden sich in vielen Bereichen gerne für die kürzere Schicht – ebenso wie Eltern. Manche Beschäftigte kehren sogar früher aus der Elternzeit zurück, weil sich die neuen, flexibleren Dienstzeiten besser mit dem Alltag mit kleinen Kindern vereinbaren lassen.

Foto vom lachenden Publikum.

Lange Schichten stärken interprofessionelle Teams

Diskussionsrunde am Tisch.

Auch die längeren, früher möglichen 12-Stunden-Schichten waren bei vielen Mitarbeitenden besonders beliebt – inzwischen sind sie allerdings nicht mehr zulässig. Aber auch 10-Stunden-Schichten werden gerne gewählt, da sie eine Vier-Tage-Woche ermöglichen. Für getrennt lebende Eltern bieten sie zum Beispiel mehr Planungsspielraum für gemeinsame Zeit mit den Kindern.

Ein weiterer Vorteil der flexiblen Arbeitszeitgestaltung: Tandems aus Pflegepersonal und Ärztinnen/Ärzten lassen sich leichter bilden. In gemeinsamen längeren Schichten können Abläufe effizienter auf die Bedürfnisse der Patienten/-innen und die Zusammenarbeit im Team abgestimmt werden.

Werkzeugkoffer für die Umsetzung

"Wir gehen aktiv auf die Bereiche zu, bauen Hürden ab – und übergeben gleichzeitig einen Werkzeugkoffer zur erleichterten Umsetzung", erklärte Carola Fitzner aus dem Projektteam.

Darin enthalten sind unter anderem Informationen darüber, wie viele Pausen bei welchen Schichten notwendig sind und ein One-pager über die Stationsabläufe zur besseren Abstimmung der Zusammenarbeit von Ärzten/-innen und Pflegern/-innen. Fitzner stellte den Teilnehmenden auch die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen vor.

Im nächsten Jahr legt die wissenschaftliche Begleitung die mit Spannung erwartete Evaluation vor, um den Erfolg des Projektes dann auch mit Kennzahlen belegen zu können.

Foto von Carola Fitzner Foto von Carola Fitzner
Carola Fitzner vom Projekt "Arbeiten 5.0" beim UKE

Ergebnisse an den Thementischen

Abschließend moderierten Navarro, Doronin und Fitzner Diskussionsrunden an verschiedenen Thementischen. Zu je drei Fragen tauschten sich die Teilnehmenden aus und formulierten ihre Einschätzung:

Aus welchen Gründen könnten Mitarbeitende flexible Arbeitszeiten benötigen?

Foto einer Teilnehmerin an der Pinnwand.
  • familiäre Bedürfnisse und Care-Verantwortung
  • gesundheitliche Einschränkungen
  • zweiter Job, geringfügige Beschäftigung
  • Weiterbeschäftigung in Rente
  • Studium, Weiterbildung, Prüfungsphasen
  • Individuelle Vorlieben: Eule/Lerche
  • Hobbies, Vereinssport, Freizeit
  • Pendler/-innen, Verkehrssituation, ÖPNV, Parkplatzsituation

Prozessanpassungen im Rahmen von neuen flexiblen Arbeitszeiten – Was muss beachtet werden?

  • Kundenanforderungen erfüllen (Erreichbarkeit, konstanter Output)
  • Prozesse effizient gestalten mit Blick auf GESAMTE Organisation
  • Betriebliche Belange beachten, wie Abstimmung und Meetings
  • Schnittstellen synchronisieren
  • Interdisziplinäre/bereichsübergreifende Zusammenarbeit sicherstellen
  • Transparenz: niedrigschwellige, aber gute Kommunikation und Dokumentation
  • Mindestanforderung definieren: Berufsgruppen, Qualifikationen, Erfahrungen
  • Tarife und Gesetze
  • Kompetenz und Ressourcen der Führungskräfte nicht überstrapazieren
Foto einer Teilnehmerin an der Pinnwand.

 Gewinner und "Verlierer" flexiblen Arbeitszeiten:

Foto eines Teilnehmers an der Pinnwand.
  • Alle sind Gewinner, da Partizipation, Kommunikation der eigenen Bedürfnisse und Austausch zu Prozessen immer positiv sind
  • Vorgesetzte, da sie Mitarbeitende halten
  • Chronisch Kranke, behinderte oder ältere Menschen
  • Eltern und pflegende Angehörige
  • Negativ ist, dass Führungskräfte zusätzlichen Aufwand haben
  • Neidfaktor: erlebte Ungerechtigkeit zwischen Abteilungen und Disziplinen
  • Dienstplaner/-in hat es schwerer, allen gerecht zu werden und bei Ausfällen, Ersatz zu finden
  • Azubis und Zeitarbeitende können nicht von den Angeboten profitieren

Fazit zu der Präsenzveranstaltung

Das Feedback der Teilnehmenden fiel positiv aus. Auf den Rückmeldebögen hieß es unter anderem: "Super, um neue Impulse und die Herangehensweise bei einer so großen Umstrukturierung kennenzulernen", "Sehr praxisnah, regt zum Hinterfragen des Status quo an." und "Tolle Veranstaltung!".

"Es hat sich bewährt, die Veranstaltung in Präsenz durchzuführen. Die Teilnehmenden aus den unterschiedlichsten Branchen hatten ein gemeinsames Thema – und sind darüber in einen sehr lebendigen und konstruktiven Austausch gekommen", resümiert Susanne Sabisch-Schellhas, Projektleiterin von ddn Hamburg.

Foto von Heidrun Meder im Gespräch mit Teilnehmerinnen.
Heidrun Meder (rechts) im Gespräch mit Teilnehmerinnen.

Kontakt


Die Netzwerkstelle "Demographie Netzwerk Hamburg" wird im Rahmen des Projekts "Fachkräfte für Hamburg" von der Behörde für Wirtschaft, Arbeit und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert und durch das Aktionsbündnis für Bildung und Beschäftigung Hamburg – Hamburger Fachkräftenetzwerk unterstützt.

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