Nachhaltigkeit, Loyalität, Leistung, Empathie, Gerechtigkeit ... Welche Werte beeinflussen mich in meinem Führungsstil? Über 35 Frauen sind der Einladung von "Womenomics" und dem "Expertinnen-Netz. Mentoring für Frauen" zum Business Talk mit dem Thema "Werteorientierte Führung mit dem Anti-Bias-Ansatz" gefolgt und haben sich im Haus der Wirtschaft zu einem inspirierenden Frühstück getroffen.
An der Raumdecke sind Leinen gespannt, Karten mit unterschiedlichen Werten sind aufgehängt. Welche Rolle spielen sie bei meinem Führungsstil? Wie kann ich im Spannungsfeld zwischen den eigenen Werten und dem Alltagsdruck agieren? Fragen, mit denen sich die Teilnehmerinnen an diesem Morgen auseinandersetzen und austauschen wollen.
"Wenn wir von Werten sprechen, dann bewegen wir uns dabei auf verschiedenen Ebenen", erklärt Silke Potthast und führt zunächst die aktive Handlungsebene auf, zu der beispielsweise Werte wie Zielerreichung, Effizienz und Erfolg gehören. Die soziale und emotionale Ebene bezieht sich auf Werte wie Kooperation, Konsens, Balance und Respekt. "Hinzu kommt aber auch die persönliche Haltungsebene, Werte wie die eigene Entwicklung, Sinnhaftigkeit und Selbstbestimmtheit. Und schließlich die ethische Ebene, die sich zum Beispiel auf Nachhaltigkeit, Ganzheitlichkeit, Inklusion und Diversity beziehen kann", so die Referentin.
"Führungspersonen bewegen sich zwischen den Werten und dem hinzukommenden Alltagsdruck teilweise in einem starken Spannungsfeld", so Potthast. "Denn Werteorientierung bedeutet für eine Führungskraft drei Dinge: Die eigenen Führungswerte kennen und nach diesen konsistent handeln sowie die persönlichen Werte der jeweils geführten Mitarbeitenden wahrnehmen und ernst nehmen. Und als Drittes die Unternehmenswerte als Vorbild leben", definiert Silke Potthast und verweist auf das Modell der kongruenten Führung von Virginia Satir: "Das Selbst sehen, das Andere und den Kontext." Keine Selbstverständlichkeit, denn dieser Anspruch bedeutet beständiges Reflektieren und einen stetigen Abgleich mit dem Umfeld.
"Der Anti-Bias-Ansatz bietet einen Prozess an, mit dem man sich dem Ziel einer kongruenten Führung nähern kann", leitet Silke Potthast über. Wie dies gelingen kann, erläutert Dr. Rita Panesar, Projektleiterin vom "Expertinnen-Netz. Mentoring für Frauen". "Das englische Wort 'Bias' bedeutet übersetzt 'Vorurteil' oder 'Einseitigkeit'. Anti-Bias-Arbeit macht Schieflagen in Institutionen und Gesellschaft deutlich und zielt auf den Abbau von Diskriminierung", umreißt sie den Ansatz. Anti-Bias-Arbeit lädt dazu ein, sich mit der eigenen Rolle im Kontext von gesellschaftlichen Schieflagen auseinanderzusetzen und alternative Formen der Zusammenarbeit und Organisationskultur in Unternehmen zu entwickeln.
"Ein erstes Ziel ist es, eine starke Ich-Identität und Gruppenidentität zu entwickeln, ohne sich einer oder mehreren anderen Gruppen gegenüber überlegen zu fühlen", so Dr. Panesar. Wie schaffe ich ein Klima, in dem selbstbewusst, aber ohne Überlegenheitsgefühl zusammengearbeitet werden kann? Der Anti-Bias-Ansatz bietet einen Rahmen, immer wieder innezuhalten und gemeinsam unausgesprochene Vorannahmen und damit verbundene Bewertungen zu entlarven.
"Sich angesichts von Unterschieden wohlzufühlen und Empathie, Wertschätzung sowie Respekt zu zeigen, ist ein weiteres Ziel des Anti-Bias-Ansatzes", erklärt Rita Panesar. Führungskräfte müssen sich fragen: Wie vermittle ich, dass alle Kollegen/-innen die gleichen Gefühle kennen, wie beispielsweise Verletzung, Wut, Trauer, Scham, Kleingemachtwerden, Stolz, Freude. Wie trainiere ich Empathie im Team auch über Unterschiede hinweg?
Fast jede Person hat sich schon einmal diskriminiert oder in eine Schublade gesteckt gefühlt – wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Führungskräfte können deutlich machen, dass das Thema alle berührt und entsprechend eine diskriminierungssensible Kultur schaffen. "Ein guter Schritt ist es, eine Sprache zu etablieren, in der Wahrnehmungen geäußert werden können", so die Referentin. Aussagen, wie 'Ich habe mich durch deine Aussage kleingemacht gefühlt.' sollten möglich sein.
Mit ihrer Vorstellung von werteorientierter Führung und dem Potenzial des Anti-Bias-Ansatzes setzen sich die Teilnehmerinnen anschließend in Gruppen auseinander. Im Fokus stehen die Fragen: Welche Werte bestimmen mein Führungsverhalten? Was ist schwierig in der Umsetzung und warum? Wie agiereich in den Spannungsfeldern? Stimmen aus der Gruppenarbeit sind zu hören:
"Werte müssen nicht nur festgelegt, sondern gelebt und erlebt werden."
"Es ist oft nicht leicht, die Balance zwischen Gesundheitsfürsorge und Leistungsanspruch zu finden.
"Man muss mutig sein, um seine Werte im Alltag zu vertreten."
"Werte lassen sich nur im Dialog und mit stetiger Selbstreflexion umsetzen."
"Gleichbehandlung ist nicht Gleichberechtigung."
Bei Croissants und Franzbrötchen führen die Teilnehmerinnen ihre Gespräche fort, entwickeln Haltungen weiter und nutzen die Gelegenheit, sich zu vernetzen.
"Ein fruchtbarer Austausch mit spannenden Perspektiven!" – diesem Fazit einer Teilnehmerin können sich die Veranstalterinnen nur anschließen. "Eine tolle Gruppe! Die Teilnehmerinnen haben die Chance zum offenen und vertrauensvollen Austausch genutzt und sich gegenseitig inspiriert", beschreibt Rita Panesar ihren Eindruck. "Wir freuen uns jetzt schon auf den nächste Business Talk am 26. Juni!", betont Silke Potthast.
Präsentation von Silke Potthast und Rita Panesar. (PDF)
Sie sind an weiteren Fortbildungen interessiert?
Angebote finden Sie in der KWB-Seminar-Broschüre und auf der Website von "Womenomics" unter www.womenomics-hamburg.de.
Sie möchten mehr über den Anti-Bias-Ansatz wissen?
Dann werfen Sie einen Blick auf die Website der "Anti Bias Praxis" unter www.anti-bias-praxis.de.
Sie können sich vorstellen, Mentee oder Mentorin beim "Expertinnen-Netz. Mentoring für Frauen" zu werden?
Auf der Website www.expertinnen-netz.de erfahren Sie mehr.